Bernhard Rüst

Modell Objektstrategie

Im Modell wird die Komplexität baulicher Entscheidungen dargestellt. Es zeigt die Elemente eines Entscheides und deren Abhängigkeiten und lässt sich in jeder Planungsphase in Teilen oder als Ganzes anwenden

Die Fragen werden auf einen gemeinsamen (ökonomischen) Nenner gebracht. Ziel ist die Generation von Lösungen und die Evaluation der besten unter ihnen. Am Ende steht die Antwort auf die Frage: Welche Qualität zu welchen Kosten?

Der Ablauf geht von der Diagnose über die Lösungen zu Bewertung und Auswahl. Sie wird begleitet von der Nutzung mit Menge, Qualität und Ertrag (oben), und den Massnahmen, die das ermöglichen sollen, mit ihren Kostenfolgen (unten).

Einmal ermittelte Daten lassen sich über alle Stufen der Planung und deren Vertiefung ohne Bruch weiterverwenden.

1. Diagnose

Am Anfang vieler Vorhaben steht ein Objekt, über dessen Erhalt, Instandsetzung, Veränderung oder Ersatz es zu entscheiden gilt. Der Zustand dieses Objekts muss bekannt sein.

Diese Aufnahme geschieht idealerweise in einer Struktur, die später bei der Entwicklung der Lösungen wieder verwendet wird. So gehen keine Informationen verloren und Vorhersagen, zum Beispiel zu Kostenfolgen, werden vereinfacht. Zur Anwendung kommt darum die Elementkostengliederung EKG im jeweils adäquaten Feinheitsgrad. Dieser muss nicht einheitlich sein, wichtige Fragen lassen sich schon früh vertiefen, andere nur statistisch aufnehmen.

Es kann sinnvoll sein, in der Objektgliederung (OGL) Teilobjekte zu unterscheiden (Beispiel Turnhalle und Schulhaus) oder weitere Kriterien wie Positionslagen (PSL) einzuführen (Beispiel Orientierung).

Die Differenzierung von Kriterien bei der Abnützung hilft, die Aufnahmen zu vereinfachen. Entscheidend ist das Kriterium, das den grössten Mindesteingriff auslöst.

Ein Vermerk zur Dringlichkeit kann die Freiheitsgrade im späteren Verlauf definieren helfen (Beispiel Sanierungsfristen mit Ersatz der Wärmeerzeugung unabhängig vom Zustand)

2. Lösungsraum:

Der Lösungsraum ist ein morphologischer Kasten (Zwicky). Hier wird auf begrenztem Raum die Summe aller Lösungen aufgespannt. Zu jedem Kriterium, zum Beispiel eine Geschossnutzung oder ein Bauteil, sind unterschiedliche Lösungen oder Eingriffe vorgeschlagen.

Bei den von einer Erneuerung betroffenen Bauteilen reichen diese Massnahmen von ‚nichts tun‘ über ‚provisorisch reparieren‘ oder ,Gesamtersatz‘ bis zu verschiedenen wertsteigernden Ausführungsarten. Ein Teil der Lösungen kann, weil unzulässig, gesperrt sein.

Projektideen entstehen durch Auswahl von Feldern im Lösungsraum. Die Summe dieser Auswahl ist ein Baubeschrieb, der dann die Grundlage für die Überprüfung der Kostenfolgen bildet.

Es hilft, zwei Arten von Eingriffen zu unterscheiden:

  1. Intervention: Zeitlich zusammenhängender Eingriff
  2. Szenario: Massnahmen eines Erneuerungszyklus

Ein Szenario kann aus mehreren Interventionen oder Etappen bestehen. Ein etappiertes Vorgehen kann erhebliche Vorteile bieten in Bezug auf Nutzung (Rochaden), Mittelbedarf (Staffelung) oder Ausnützung des Restlebenszyklus der Bauteile (Finanzkosten, dynamisch)

3. Referenz und Option (Massnahmen)

Die Auswahl von Massnahmen geschieht auf einfache Art in Varianten. Es lohnt sich, diese in der Frühphase einer Planung möglichst breit zu fassen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Aufwand noch gering und die Sicherheit nimmt zu, in den späteren Planungsphasen nicht darauf zurückkommen zu müssen.

Einzelne Szenarien können routinemässig aufgenommen werden, auch wenn sie nicht in Frage kommen, weil sie bei der Beurteilung als Referenzen dienen. Dies sind:

  1. Instandsetzung
  2. Abbruch und Neubau
  3. Verkauf mit Kauf oder Miete eines anderen Objekts

Dagegen stehen die Optionen, also Lösungen, die ein eigenes, nicht standardisiertes Anforderungsprofil erfüllen. Diese müssen sich gegen alle Referenzszenarien zu behaupten vermögen. Das unterstützt die Selektion der besten Lösung.

Mit diesem Verfahren lassen sich auch besonders vorteilhafte Eingriffe erkennen. So ist eine Aufstockung erst dann wirklich sinnvoll, wenn das Dach ohnehin zur Erneuerung anfällt. Die der Zusatznutzung zu belastenden Aufwendungen sind die tieferen Differenzkosten, was die Rentabilität einer solchen Option verbessert und oft erst möglich macht.

4. Massnahmen

Die Summe der Eingriffe aus dem Lösungsraum entspricht dem Baubeschrieb, nachdem einzelne Positionen wie Bauvorbereitung, Honorare und Nebenkosten ergänzt sind.

Wie bei der Diagnose kann der Feinheitsgrad untereinheitlich sein. Eine grosse Differenzierung schon in den frühen Phasen empfiehlt sich bei den folgenden Eigenschaften:

  1. Grosse Menge (kostenrelevant)
  2. Hoher Einheitspreis (kostenrelevant)
  3. Grosse Streuung bei den Einheitspreisen (Steuerungspotential)
  4. Starke Vernetzung durch Folgemassnahmen (potentiell bösartig)
  5. Kombinationen von a bis d (noch schlimmer oder noch dankbarer)

Die Massnahmen sollten in Ausführungsart und Menge phasengerecht beschrieben sein.

5. Kosten

Die Investitionskosten ergeben sich aus der Summe der Massnahmen in Menge und Qualität.

Zur Anwendung kommen verschiedene Arten der Kostendaten:

  1. Kennwerte aus anderen vergleichbaren Vorhaben, bevorzugt abgerechnet
  2. Richtwerte durch Aufbau eines Bauteils und Zuordnung von Einheitspreisen
  3. Statistische Daten ohne Bezug zu einem konkreten Eingriff
  4. Budgetpositionen

Es empfiehlt sich, Positionen, die als relevant aber unsicher erkannt sind, als solche zu bezeichnen. Diese lassen sich in der nachfolgenden Planungsphase mit Priorität vertiefen.

Das Ergebnis dieser Stufe zeigt, wie sich die vorgesehenen Massnahmen mit den zulässigen Investitionen vertragen, aber noch nichts über die Rentabilität der Lösungen.

6. Annuität

Jede Investition an einem Bauteil muss durch Eigen- oder Fremdmittel finanziert sein. Daraus entstehen Finanzkosten in Form von Zinsen oder entgangenen Erträgen.

Einen grossen Einfluss hat aber auch die im Bauwesen selten berücksichtigte Amortisation. Als kombinierter Wert über Verzinsung und Amortisation steht die Annuität, also der jährliche Finanzaufwand für eine Massnahme.

Auf der Grundlage der Elemente lassen sich diese schnell ermitteln. Oft reicht eine Gliederung in Kategorien:

  1. Kurze Lebensdauer: Beispiel Gebäudetechnik (Abnützung, Obsoleszenz)
  2. Mittlere Lebens: Beispiel Ausbau (Abnützung, Moden)
  3. Lange Lebensdauer: Beispiel Rohbau
  4. Keine Abnutzung: Beispiel Land

Bauteile lassen sich auf einfache Art differenzieren, wenn sie sich nicht homogen verhalten (Beispiel Dach: Tragkonstruktion und Aufbau) Die auf die Bauteile bezogenen Annuitäten legen grosse Optimierungspotentiale offen.

7. Aufwand

Zu den Finanzkosten kommen weitere Auslagen, bis der gesamte damit zusammenhängende jährliche Aufwand für die Erfolgsrechnung bestimmt ist.

Dazu zählen Kosten für Energie, Reinigung und Serviceverträge. In einer erweiterten Betrachtung können auch Änderungen beim Aufwand erfasst werden, wenn eine Betriebsstätte aufgrund der Massnahmen mit weniger Personal betrieben werden kann.

8. Sensitivität (Aufwand)

Die Wirtschaftlichkeit hängt in hohem Ausmass von unsicheren Parametern ab. Die wichtigsten Ungewissheiten wie Lebensdauer von Bauteilen, Unterhaltsaufwand oder Zinsen werden oft vernachlässigt. Besonders Zinsen und Lebensdauer haben einen grossen Einfluss.

Eine langfristige Betrachtung ist sinnvoll, auch wenn die Zukunft nicht bekannt ist. Umso mehr empfiehlt es sich, die Zukunft in Varianten durchzurechnen, was auf einfache Art möglich ist.

Die Risiken können so zuverlässig abgeschätzt werden. Nicht zuletzt erkennt man hier oft die wirklich relevanten Einflussgrössen.

9. Referenz und Option (Nutzung)

Für die Nutzung gibt es, wie für die Massnahmen, standardisierte Lösungen und Optionen dazu.

Die Szenarien von Nutzung und Massnahmen entsprechen sich, damit am Ende ein Vergleich möglich ist.

Flexibilität und Anpassbarkeit an sich ändernde Ansprüche kann eine Antwort sein. Vorinvestitionen für die Zukunft lohnen sich aber meistens nicht: Während die Kosten sofort anfallen, kommt ein Nutzen erst in der Zukunft (muss also abdiskontiert werden), fällt nur während eines Teils der Periode an und unsicher ist er auch noch.

Besser bewährt haben sich einfache Ausführungsarten, die sich leicht ergänzen lassen, wenn der Bedarf aufkommt und damit bekannt ist.

10. Nutzung

Die Definitionen der Nutzung bilden die Grundlage für die Auswahl der Massnahmen im Lösungsraum: Welche Massnahmen sind notwendig, um diese Nutzung zu ermöglichen?

Naheliegend ist die Nutzung wie bis anhin, oft ist dies aber ungünstig, weil es hohe Kosten verursacht, ohne Mehrerträge zu generieren, und die Überwälzung begrenzt ist.

Eine Erneuerung ist ein günstiger Zeitpunkt, den Zielzustand des Objekts in Menge oder Qualität neu zu definieren. Qualitative Verbesserungen sind dann besonders lohnend, weil mit geringen Mehrkosten grosse zusätzliche Qualitäten geschaffen werden können.

Eine umfassende Erneuerung oder auch ein Neubau sollen ohne wesentliche Eingriffe in die Substanz für einen Zyklus von 25 bis 35 Jahren gut sein. Der Erfolg des Eingriffs zeigt sich über die gesamte Periode.

11. Ertrag

Die Erträge sind das Produkt von Mengen und Qualitäten und der Erfolgsnachweis für den Eingriff.

Sie lassen sich aufgrund der Flächen (Büroflächen) oder Einheiten (Wohnung / Grösse, Parkplätze) ermitteln.

Dazu kommen Korrekturfaktoren für zusätzliche Qualitäten wie Stockwerk oder Anzahl Balkone; es ist sinnvoll, diesen Erträgen eine Struktur zu geben, um die Marktfähigkeit zu beurteilen.

Leerstand gehört hier dazu, bei einer gebührenpflichtigen Parkierung im Haus auch die Auslastung, gegliedert nach Tarifen.

Der Ertrag muss nicht am Ende der Berechnung stehen. So kann aufgrund des Standorts ein Ertragsziel Ausgangspunkt sein und ein Nutzungskonzept abgeleitet werden, um dann in der Morphologie geeignete Szenarien zu suchen.

12. Sensitivität (Ertrag)

Auch bei der Nutzung sind Unsicherheiten möglich, die zu prüfen sich lohnen kann.

Dazu gehören eine veränderte Wirtschaftslage, abnehmende Attraktivität durch das Umfeld mit Zinsausfällen oder Leerstand, eine veränderte Nachfrage wegen Wegzug eines grossen Arbeitgebers oder abnehmende Auslastungen.

13. Kostendeckung

In der Berechnung des Kostendeckungsbeitrags kommen die Nutzung mit ihrem Ertrag und der Aufwand aus den Massnahmen zusammen.

Das Ergebnis sollte positiv sein. Eine möglichst grosse Differenz auf der richtigen Seite der Grenzlinie spricht für die Qualität eines Szenarios. Ein gutes Verhältnis von Aufwand und Ertrag ist das Ziel und reduziert die Risiken des Eingriffs.

Der Ablauf der Abklärungen ist auch hier in der Gegenrichtung möglich: Aus einer angestrebten Nutzung wird ein Ertrag berechnet, der angestrebte Gewinn abgezogen und die Differenz (der zulässige Aufwand) aufkapitalisiert. Mit diesem Betrag wird versucht, im Lösungsraum Szenarien zu definieren.

Diese erste Abklärung kann Hinweise geben, wie ambitiös sich das Vorhaben gestalten wird.

14. Sensitivität (Kostendeckung)

Auch für die Kostendeckungsbeitragsrechnung lassen sich Risiken abschätzen, indem die Parameter auf der Aufwand- und Ertragsseiten gleichzeitig variiert werden.

In der Kombination lassen sich der günstigste und ungünstigste Fall bestimmen, die berücksichtigt werden sollen, oder es lassen sich Kombinationen definieren, bei denen die Rentabilität nicht mehr gegeben ist. Die Wahrscheinlichkeit des Eintreffens einer solchen Kombination wird für die Investition entscheidend sein.

15. Wertanalyse

In der Wertanalyse kommen die qualitativen und die quantitativen Auswahlkriterien zusammen.

Diese sollen nicht vermischt werden. Die ökonomischen Kriterien sind conditio sine qua non für die Umsetzung.

Der Ablauf umfasst die folgenden Schritte:

  1. Benennung der analysierten Szenarien (Spalten)
  2. Nennung einer kleinen Anzahl qualitativer Kriterien (Zeilen Teil 1)
  3. Ökonomische Kriterien: Investition und Rentabilität (Zeilen Teil 2)
  4. Aussortieren von Lösungen aufgrund der Investition (nicht zu finanzieren)
  5. Aussortieren von Lösungen aufgrund der Rentabilität (defizitär)
  6. Auswahl aus den übrigen Lösungen aufgrund qualitativer Kriterien

Der Ablauf präsentiert sich bei der nächsten Bearbeitungsstufe gleich. Von den vorangehenden Schritten ist noch bekannt, welche der zugrundeliegenden Annahmen unsicher sind und die als erstes abgesichert werden sollten.

Es empfiehlt sich in der Regel, mindestens eine Lösung weiterzuverfolgen, Alternativen dazu aber während einer begrenzten Dauer im Auge zu behalten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die gewählte Lösung im Nachhinein als ungeeignet erweist. Ein Umschwenken ist einfach möglich, weil der ganze Baukasten noch bekannt ist.